SVSA Bern │ Neubau Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamt Bern
3. Preis im offenen Architekturwettbewerb
Bern, Schweiz, 2021
Ing. arch. Michal Gabaš,
Clair Ensange,
Sarah Yaparsidi,
Philipp Bütof,
SIMA / BREER Landschaftsarchitektur
Vizualizace: Avocado Fresh
Wir schlagen ein Gebäude vor, das über einem quadratischen Fussabdruck mittig in der Parzelle liegt und von einem grossen Dachüberstand geprägt ist.
Das weit auskragende Dach erfüllt drei wichtige Funktionen: Es kennzeichnet das Gebäude weithin sichtbar als öffentlichen Bau im Landschaftsraum, es vereint alle Funktionsbereiche unter einem Dach und sorgt gleichzeitig für einen optimalen konstruktiven Witterungs- bzw. Sonnenschutz.
Auf einer abschüssigen Landwirtschaftsparzelle in Münchenbuchsee soll der Neubau für das SVSA entstehen. In diesem von einer Bahnlinie flankierten, gewerblich geprägten Kontext sind bauliche Bezüge nur schwer herzustellen. Hervorzuheben ist dennoch die Weitsicht, die die Parzelle kennzeichnet bzw. die Fernwirkung des Gebäudes als potentielle Landmarke. Die unmittelbare Nachbarschaft wird mit dem Neubau schliesslich um ein öffentliches Gebäude erweitert.
Der enorme Aussenflächenbedarf und die hohe Anzahl an Einstellplätzen setzen den Perimeter stark unter Druck. Durch die Hanglage werden so enorme Erdbewegungen und Aushubarbeiten notwendig, was im Geiste einer umfassenden Nachhaltigkeitsbetrachtung nicht mehr zeitgemäss erscheint.
Die mannigfaltigen Anforderungen bezüglich der Verkehrsführung auf dem Gelände und durch das Gebäude führen zu einem dichten Abhängigkeitsgeflecht. Um allen Anforderungen gerecht werden zu können, müssen reibungslose Abläufe gewährleistet werden. Sowohl Fahrzeuge als auch Personen müssen sich auf kurzen übersichtlichen Wegen durch das Gebäude und über das Areal bewegen können.
Wie kann ein Neubau diese unterschiedlichen Verkehrs- und Personenströme auf einfach erfahrbare Weise organisieren?
Erschliessung
Wir schlagen vor, die Zufahrten zum Areal über den ausgebauten Moosrainweg West zu führen. Über zwei separate Zufahrten für LKWs und PWs gelangt man auf kürzestem Wege zu den entsprechenden Wartebereichen. An der nordwestlichen Ecke befindet sich die gemeinsame Ausfahrt. Die Prüfstrecke führt entlang des Perimeters um den Neubau herum. Alle geforderten Prüfbereiche werden ebenerdig organisiert, über die kurzen Flanken werden die Höhenunterschiede überwunden (Steigung im Mittel: <6%)
Durch die zentrale Lage des kompakten Körpers können die grossen Wartebereichsflächen vor und hinter der Prüfhalle optimal positioniert werden.
Im Osten befinden sich die Warteplätze nach Abschluss der Prüfung sowie die Anlieferung. Ein Aussenbereich für die Kantine wird hier angeboten. Auf der gegenüberliegenden Seite auf Erdgeschossniveau werden die Parkplätze für Fahrprüfungen in der Nähe Vorbereichs Haupteingang organisiert. Die gebündelte Zu- und Wegfahrt zur Tiefgarage erfolgt von hier aus.
Es entsteht ein Erschliessungsapparat, der durch das Anfahren auf zwei Niveaus, eine synergetische Benutzbarkeit der Bestandstopografie ermöglicht und so zu einer klaren Aussenraumzonierung führt.
Konstruktion
Der Sockel ist bis und mit der Decke über dem Erdgeschoss im Bereich der Tiefgarage in Massivbauweise mit Ortbetonflachdecken und betonierten Tragwänden bzw. Stützen konzipiert. Darüber erhebt sich das Gebäude als reiner Holzbau. Nur die Wände der Erschliessungskerne und der angegliederten Nebenräume werden zur horizontalen Aussteifung über die ganze Gebäudehöhe betoniert. In den Obergeschossen besteht das Deckensystem aus in Längsrichtung verlaufenden Brettschichtholzträgern und darüber verlegten Hohlkastenelementen. Im Hinblick auf eine grösstmögliche Nutzungsflexibilität erfolgt die vertikale Lastabtragung nur über quadratische Holzstützen, die in selbsttragende Trennwände integriert werden.
Das Dach markante Dach mit seinen weiten Auskragungen wird durch gleichmässig, alle 5 Meter verlaufende Brettschichtholzträger gebildet. Um die Auskragung allseitig zu ermöglichen, werden zusätzliche, um 90 Grad gedrehte Trägerelemente eingesetzt. Zusätzlich erhalten die Träger in der Untersicht eine markante Einkerbung für einen effizienteren Materialeinsatz in Abhängigkeit von den Stützenfeldern. Die Trägerlagen laufen über alle Funktionsbereiche hinweg. Im Bereich der Prüfhallen werden die spezifischen Stützenstellungen über einen zusätzlichen Primärträger abgefangen und in die Stützenpunkte eingeleitet. So kann fast über das gesamte Gebäude hinweg ein direkter Lastabtrag bis in die Fundation gewährleistet werden.
Input: Ryffel
Materialisierung
Die Innenräume werden von der klaren offenen Holzkonstruktion geprägt. Die Kerne in Sichtbeton setzen einen mineralischen Akzent.
Haustechnische Installationen werden wo immer möglich offen geführt und unterstreichen somit den Charakter des Gebäudes als offene Werkhalle.
Auch in der Fassade gibt die Holzkonstruktion den Rhythmus vor: die zwei- bzw. dreigeschossigen vertikalen Holzstützen strukturieren das Fassadenbild. Dazwischen wechseln sich Fensterbänder mit opaken Brüstungsbändern ab, die mit feuerverzinkten Paneelen verkleidet werden. Im Zusammenspiel mit dem verblechten Dachrand setzen sie einen horizontalen Kontrapunkt und bieten einen gedanklichen Brückenschlag zur gewerblichen Umgebung an.
Nachhaltiges Gebäudekonzept
Das Gebäudetechnikkonzept folgt den Anforderungen des SNBS-Standard sowie MINERGIE-P-ECO und entsprechend einem Low-Tech Ansatz. Aussenliegende Sonnenschutzmassnahmen (Vordach, Storen) sowie geschützte Nachtauskühlmöglichkeiten (z.B. über Innenhöfe), wird neben dem Heiz- und Kühlbedarf auch der Einsatz grauer Energie minimiert. Die Gebäudehülle wird mineralisch hochwärmegedämmt und weist einen angemessen Glasanteil auf.
Das Ziel ist, mit möglichst wenig technischen Anlagen einen hohen Komfort für die Nutzer zu erreichen.
Lüftung – Über die Fenster kann jederzeit gelüftet werden, um den individuellen Nutzeransprüchen gerecht zu werden. Geeignete Fensterlüftungsöffnungen ermöglichen die Deckung des zusätzlichen Frischluftbedarfs in den Geschossen und erlauben im Sommer das Gebäude während der Nacht auszukühlen.
Die ausladende Dachfläche kann für eine intensive Nutzung mittels PV-Anlage ertüchtitgt werden und kann so entsprechend variabel auf die Bedürfnisse und Wünsche der Nutzerschaft bestückt werden. Im Geiste einer generellen Nachhaltigkeitsbetrachtung wäre hier eine recht hohe Dichte wünschenswert.